Henri Cartier-Bresson

Moment decisive
Über das Fotografieren

"Die Kamera ist für mich ein Skizzenblock, ein Instrument der Intuition und Spontaneität, der Meister des Augenblicks, der mit den Mitteln des Visuellen gleichzeitig fragt und entscheidet. Um die Welt "mitzuteilen", muß man sich in den Ausschnitt, den der Sucher begrenzt, einbezogen fühlen. Diese Haltung verlangt Konzentration, Disziplin des Bewußtseins, Sensibilität und Sinn für Geometrie. Nur durch äußerste Sparsamkeit der Mittel erreicht man Einfachheit des Ausdrucks. Fotografieren setzt unbedingten Respekt vor dem Objekt und vor sich selbst voraus.

Fotografieren heißt, den Atem anhalten, wenn sich angesichts der flüchtigen Wirklichkeit alle unsere Fähigkeiten vereinigen. Das Einfangen des Bildes in diesem Augenblick bereitet physische und geistige Freude.

Fotografieren heißt, mit größter Wachheit das Geschehen zu registrieren und gleichzeitig die Formen, in denen es sich darstellt, zu ordnen, um es zu charakterisieren.

Fotografieren –wie alle anderen Ausdrucksmittel auch – bedeutet für mich nicht Erfinden und Entdecken. Fotografieren ist eine Möglichkeit zu schreien, sich zu befreien, nicht aber seine eigene Originalität auszuprobieren oder sie unter Beweis zu stellen. Es ist eine Art zu leben."

Henri Cartier-Bresson, Februar 1976

"Für mich heißt Fotografie, im Bruchteil einer Sekunde gleichzeitig die Bedeutung eines Ereignisses und dessen formalen Aufbau erfassen, durch den es erst seinen eigenen Ausdruck erhält.

Ich glaube, Leben bedeutet, sich selbst gleichzeitig mit der Welt zu entdecken, die uns umgibt, einer Welt, die uns formt, die aber auch von uns beeinflußt werden kann. Es gilt, eine Balance zwischen diesen beiden Welten herzustellen – der Welt in uns und der um uns. Als Ergebnis dieses wechselseitigen Prozesses vereinigen sich beide Welten und werden eins.

Von dieser einen Welt müssen wir den anderen Menschen berichten."

Henri Cartier-Bresson, 1952


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