Cyrano de la Mancha
(Spielentwurf fürs Marionettentheater)

Bühnenbild: Ein Haus mit ein paar Bäumen davor, ein Weg, der darauf zu führt.

(Cyrano schleicht sich ans Haus heran.)

Cyrano: Wenn sie mich sieht, bevor sie mich hört, ist alles verloren.

(erreicht das Haus)

Cyrano: Die Adresse stimmt. Hoffentlich ist Roxane auch zu Hause.

(blickt sich um, räuspert sich, versteckt sich an der Hauswand)

Cyrano: Nun, in den allerhöchsten Tönen

dich zu ehren, du Schönste der Schönen

als erster unter des Landes Söhnen

mit dir dem Frühling gar zu frönen

bin ich gekommen, oh ...

Rapunzel (oben): Das muß mein Prinz sein. Da will ich gleich mein Haar herunterlassen.

(Rapunzel läßt ihr Haar herunter, an dessen Ende eine Schlinge ist)

Cyrano: .... dich, meines Herzens reinste Blüte voll Lust, Verehrung und voll Güte ...

(bleibt mit seiner Nase in der Schlinge hängen. Rapunzel beginnt zu ziehen.)

Cyrano: He da. Was soll das? Wer führt mich da an der Nase herum?

(überlegt einen Moment)

Cyrano: Wer weiß, vielleicht sind das ja die Haare von Roxane. Ich habe sie schließlich länger nicht gesehen.

(er läßt sich hochziehen)

(Cyrano ist oben angekommen.)

Rapunzel: Mein Prinz?

Cyrano: Nun ja, aber sprich, wer bist du?

Rapunzel: Na, du kannst Fragen stellen. Rapunzel natürlich. Wie wärst du sonst hier heraufgekommen?

Cyrano: Rapunzel? Die von der Ökorübenfarm?

Rapunzel: Nein, was für eine Gemeinheit.

(wirft ihn vom Balkon. Cyrano bleibt bewußtlos liegen.)

(Unten nähern sich Don Quichote auf Rosinante und Sancho Pansa.)

Sancho Pansa: Wir suchen jetzt seit zwölf Tagen und zwölf Nächten nach Dulcinea. Glaubst du wirklich, daß wir sie finden werden?

Don Quichote: Und wenn wir Tausendundeine Nacht suchen müssen. Ich muß sie befreien.

Sancho Pansa: Aber wir wissen weder, wie sie aussieht, noch, wo wir sie suchen sollen.

Don Quichote (wirft sich in die Brust): Ich ja. Ein wahrer Ritter hört die Rufe der Bedürftigen.

(Sie haben inzwischen das Haus erreicht.)

Don Quichote: Sieh mal, da liegt jemand.

(steigt vom Pferd)

Don Quichote: Das muß Dulcinea sein.

Rapunzel (von oben): Ist da jetzt endlich Ruhe da unten. Sonst rufe ich die Polizei.

Don Quichote: Eine Nebenbuhlerin. Beim Kampfe hat sie Dulcinea aus dem Fenster geworfen. Welch eine Schandtat. Zum Glück sind wir noch rechtzeitig gekommen.

Sancho Pansa: Aber warum hat sie so eine große Nase?

Don Quichote: Damit sie mich besser riechen kann.

Sancho Pansa: Und warum hat sie Bartwuchs wie ein Kerl?

Don Quichote: Wer weiß, vielleicht liegt sie schon länger hier. Es ist wirklich höchste Zeit, daß ich sie rette.

Sancho Pansa: Und warum ist sie so entsetzlich robust?

Don Quichote: Man merkt, daß du nichts von Frauen verstehst. Das macht die Emanzipation. Und jetzt hör endlich mit der blöden Fragerei auf und hilf mir, Dulcinea aufs Pferd zu heben.

(Sie heben Cyrano aufs Pferd und reiten davon.)

Rapunzel (zum Publikum): Und so lebten sie fortan glücklich und zufrieden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Nur ich muß weiter auf meinen Prinzen warten. Aber vielleicht sehe ich ihn im nächsten Stück.

15.3.95


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